von Rechtsanwalt Henning Gralle aus der NWZ 19.07.2016

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Die Eltern einer dreijährigen Tochter streiten sich über die Durchführung von Schutzimpfungen, unter anderen hinsichtlich folgender Krankheiten: Tetanus, Diphterie, Pertussis, Pneumokokken, Masern, Mumps und Röteln.

Der Vater befürwortet die Durchführung altersentsprechender Schutzimpfungen. Er sieht sich im Rahmen der elterlichen Gesundheitssorge verpflichtet, sein Kind grundsätzlich gegen Infektionskrankheiten impfen zu lassen. Es gebe in Deutschland zwar keine gesetzliche Impfpflicht, doch entsprächen die Empfehlungen der bundesdeutschen Ständigen Impfkommission (STIKO) dem medizinischen Standard. Die Kindesmutter sei demgegenüber nicht bereit, selbst lebenswichtige Impfungen mitzutragen.

Die Mutter meint, ihr liege gerade der Schutz ihrer kleinen Tochter am Herzen. Unabhängig vom Fehlen einer gesetzlichen Impfpflicht in Deutschland sei ihren Recherchen zufolge der Nutzen durchgeführter Schutzimpfungen nicht eindeutig nachgewiesen. Vielmehr wiege das Risiko von Impfschäden schwerer als das allgemeine Infektionsrisiko. Nur wenn ärztlicherseits Impfschäden mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnten, könne sie daher eine anlassunabhängige Impfung ihrer Tochter befürworten.

Die Impffrage kann aus Sicht des Oberlandesgerichts (OLG) Jena (Aktenzeichen 4 UF 686/15) nicht zu einer Angelegenheit untergeordneter Bedeutung herabgestuft werden, über deren Durchführung die Antragsgegnerin, die das Kind betreut, kraft der ihr zustehenden Alltagssorge allein zu entscheiden hätte. Vielmehr ist angesichts der mit einer Impfung ebenso wie mit einer Nichtimpfung – zumindest potenziell – verbundenen gesundheitlichen Folgewirkungen von einer erheblichen Bedeutung im Sinne des Sorgerechts auszugehen. Befürwortet ein Elternteil die Durchführung der von der STIKO empfohlenen Schutzimpfungen, beinhaltet diese Haltung seine Eignung, eine kindeswohlkonforme Impfentscheidung zu treffen. Eine Impfung nach dem allgemeinen Stand medizinischer Wissenschaft erscheint geboten, um der Gefahr gravierender, zum Teil nicht behandelbarer Erkrankungen zu begegnen. Daher wurde dem Vater das Recht übertragen, die Einzelfrage der Gesundheitsfürsorge für seine Tochter allein zu entscheiden und diese zu impfen.