von Rechtsanwalt Henning Gralle aus der NWZ 17.02.2015

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Kündigt ein Ehegatte vor der Entscheidung über den Versorgungsausgleich seine private Rentenversicherung und lässt sich das Guthaben auszahlen, unterfällt dieses Versorgungsanrecht nicht mehr dem Rentenausgleich

Grundsätzlich finden während eines Scheidungsverfahrens durch das Familiengericht Regelungen zum Rentenausgleich statt. Vorliegend hatte die Ehefrau nach rund 30 Ehejahren eine private Rentenversicherung gekündigt und sich das Guthaben in Höhe von fast 12.000 Euro auszahlen lassen. Beim Rentenausgleich fand dieser Wert keine Berücksichtigung, da die Rente nicht mehr bestand.

Der Ehemann war mit der ihn benachteiligenden Rentenregelung nicht einverstanden und hat geltend gemacht, dass die fast 12.000 Euro hälftig auszugleichen seien und er hiervon zumindest in Höhe von 6.000 Euro profitiere.

Das Oberlandesgericht Schleswig Holstein (Aktenzeichen 10 UF 61/14 vom 11.11.2014) hat das Begehren des Ehemannes zurückgewiesen. Es argumentiert: „Erfolgt die Kündigung der Versicherung und die Auszahlung des Guthabens zur Behebung finanzieller Schwierigkeiten, stellt dies in der Regel keine illoyale Einwirkung auf das Versorgungsanrecht dar. Dies gilt auch, wenn die finanziellen Schwierigkeiten durch eine Verletzung der Erwerbsobliegenheit mitverursacht wurden.“
Die Ehefrau befand sich in ihrer beruflichen Tätigkeit als selbstständige Rentenberaterin in finanziellen Schwierigkeiten und hat deswegen die private Rentenversicherung gekündigt. Die Kündigung erfolgte nicht, um den Ehemann zu schädigen und die Rentenbilanz zu manipulieren.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass im Scheidungsverfahren die Probleme des Rentenausgleichs sowie des etwaigen Zugewinnausgleichs insgesamt zu klären sind. Bei Kündigungen von Rentenversicherungen vor dem gerichtlichen Scheidungstermin ist zu beachten, dass diese Versorgungsanrechte erlöschen. Im Versorgungsausgleich können nur solche Anrechte berücksichtigt werden, die zum Zeitpunkt des Gerichtstermins unter das Rentenausgleichsgesetz fallen. Gekündigte Versorgungsanrechte existieren nicht mehr und können nicht mehr ausgeglichen werden.

Autor: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Henning Gralle – Fachanwaltskanzlei Seidelmann, Garms und Gralle, Alexanderstraße 111, Oldenburg. Tel. 0441/96 94 81 40 oder gralle@fachanwaelte-ol.de. Weitere Infos: www.fachanwaelte-ol.de

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