von Rechtsanwalt Henning Gralle aus der NWZ 19.05.2015

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Nach fast 30 Ehejahren trennen sich die Eheleute, beide knapp 60 Jahre alt. Der Ehemann erzielte rund 2500 Euro Rentenleistungen, darunter eine private Berufsunfähigkeitsversicherung in Höhe von rund 1200 Euro. Die Ehefrau arbeitete halbtags als Hilfskraft bei der Essensausgabe und erzielte 442 Euro netto. Sie war bei mehreren AB-Maßnahmen beschäftigt, während der Ehe auch rund zehn Jahre arbeitslos. Sie verlangt von ihrem Ehemann ca. 750 Euro monatlichen Trennungsunterhalt. Zu Recht, wie
das Oberlandesgericht Brandenburg (Aktenzeichen 3 UF 76/14) in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung geurteilt hat.

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Umstände war die Ehefrau unterhaltsrechtlich verpflichtet, vollschichtig zu arbeiten. Zwar hatte die Ehe bis zur Trennung immerhin 28 Jahre Bestand, die ehelichen Lebensverhältnisse waren durch Teilzeitbeschäftigungen der Frau mitgeprägt, und sie hatte bereits ein höheres Lebensalter von 58 Jahren erreicht. Die unterhaltsrechtliche Verpflichtung zur Erwerbstätigkeit besteht für die Frau jedoch bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze von 65 Jahren uneingeschränkt fort. Die Erwerbsfähigkeit war und ist auch nicht eingeschränkt.

Auch wenn die Ehefrau danach vor Aufnahme verstärkter Bemühungen um eine vollschichtige Erwerbstätigkeit den Ablauf des Trennungsjahres abwarten durfte, weil die Möglichkeit einer Versöhnung denkbar erschien, musste sie anschließend die gebotenen intensiven Bemühungen um eine Ausweitung ihrer teilschichtigen Arbeit zu einer Vollzeittätigkeit unternehmen.

Auch unter Berücksichtigung ihres Lebensalters und ihrer relativ geringen beruflichen Qualifikation wäre es ihr darüber hinaus aber ohne weiteres möglich gewesen, eine Vollzeitstelle als Verkäuferin oder Kassiererin im Lebensmittelgewerbe zu erhalten. Diesen Berufsgruppen wird entsprechend den einschlägigen Lohnportalen des Internet (vgl. www.lohnspiegel.de) selbst bei weniger als einjähriger Berufserfahrung durchschnittlich ein Bruttomonatslohn von ca. 1650 Euro (ungefähr 9,50 Euro/Stunde) gezahlt. Daraus errechnet sich unter Ansatz der Steuerklasse I und der übrigen gesetzlichen Abgaben ein Nettobetrag von gerundet 1175 Euro. Bereinigt um fiktive berufsbedingte Aufwendungen in Höhe von fünf Prozent ergeben sich daraus 1116 Euro im Monat. Unter Berücksichtigung eines Einkommensunterschiedes in Höhe von rund 1500 Euro erhält die Ehefrau die Hälfte der Differenz, also etwa 750 Euro.

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