von Rechtsanwalt Henning Gralle aus der NWZ 16.06.2015

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50-jährige Vater und die 44-jährige Mutter sind die Eltern eines inzwischen fast sechsjährigen Sohnes, der demnächst eingeschult werden soll. Die Eltern waren nicht miteinander verheiratet, der Vater verlangt nunmehr, dass die elterliche Sorge auch von ihm mit aus- geübt werden kann. Er will bei den lebenswichtigen Dingen seines Sohnes wie Einschulung, religiösen Fragen oder Ausbildungsfragen mit entscheiden. Seit gut zwei Jahren gibt es die gesetzliche Regelung, dass eine gemeinsame Sorge erfolgt, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. In der Regel muss die Kindesmutter deutlich machen, warum sie weiterhin die alleinige Sorge ausüben will. Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Aktenzeichen 18 UF 253/14) hat in einem aktuellen Fall die gemeinsame Sorge für den Vater verweigert. Der Vater, der die Kindesmutter noch vor der Geburt verließ, hatte in den ersten Lebensjahren seines Sohnes zu diesem kaum Kontakt. An der Entwicklung hatte der Vater keinen Anteil genommen. Das OLG stellt fest, es sei schwer vorstellbar, wie der Vater ohne auch nur elementare Kenntnis von der Persönlichkeit, den Eigenheiten und der bisherigen Entwicklung des Kindes anstehende Entscheidungen, etwa hinsichtlich der voraussichtlich im Laufe des
Jahres anstehenden Einschulung, mit der Antragsgegnerin erörtern wolle. Im Übrigen habe sich der Vater als Aussteiger präsentiert, dem Arbeit, Geld und Wohlstand nichts bedeuten würden. Die Mutter habe vom Leben in der Welt keine Ahnung. Demgegenüber geht die Kindesmutter neben der Betreuung ihres Sohnes einer Teilzeittätigkeit in einer Altenheim-Wäscherei im Schichtbetrieb nach. Sie lebt nach Ansicht des Vaters eine bürgerliche Existenz, ohne das Leben und die Wahrheit kennen zu lernen. Der Vater hat die Mutter während der vergangenen Jahre in Briefen immer wieder bedroht mit den Worten, er werde sie auf „Schritt und Tritt verfolgen“ und sie auf „einen Leidensweg schicken“. Unter Berücksichtigung dieser Gesamtlage waren die Richter der Auffassung, dass eine gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl des fast sechsjährigen Sohnes widerspreche. Der Antrag des Vaters wurde abgelehnt, die Mutter bleibt allein sorgeberechtigt und muss, wie bisher, selbst über die wichtigen Dinge im Leben ihres Kindes allein entscheiden.